Leben… findet statt
Die
letzten Tage waren angefüllt. Angefüllt mit intensiven Gesprächen in der
Begleitung der Menschen in meiner Praxis, geplanten oder auch spontanen
Begegnungen, Anforderungen und Herausforderungen des Lebens. Rückblickend eine
Fülle einzelner Sequenzen, schwer zu sortieren mit dem Gefühl, dass dies alles
viel zu viel war für die Zeit in welcher es stattfand. Mit dem Gefühl, dass die
Zeit viel zu schnell voran schreitet, um all dies wirklich in mir wach zu
halten und zu verarbeiten.
Gleichzeitig
spüre ich ein tiefes Gefühl von Vertrauen und Gelassenheit, dass all dies seine
Aufmerksamkeit, seinen Raum und seine Zeit hatte, stattfinden durfte und danach
Neuem Platz machte, das dann folgen konnte. Sprich, das Leben fand in jedem
Moment statt und zeigte sich in seiner vollen Präsenz, um danach dem zu weichen
und Raum zu schenken, das folgte. Und wenn ich es genau betrachte, geht es doch
letztlich genau darum, dass wir präsent sind indem was grade dran ist.
Präsent
für das zu sein, was wir im jetzigen Moment tun, sind und fühlen. Authentisch
zu sein, in erster Linie für mich selbst und somit auch für Andere in all
seiner Vielfalt. Die wesentliche Aufgabe in unser aller Leben.
Wenn es
gelingt dies anzunehmen, ist Leben in der Gegenwart, Leben im Hier und Jetzt möglich.
Im Vertrauen zu sein, dass bleibt, was bleiben soll und will. Dass Dinge in
Vergessenheit geraten dürfen, die nicht wirklich wichtig waren. Dass wir uns
erlauben dürfen loszulassen, um frei zu sein, für das momentane Leben. Dass
allerdings auch Dinge geschehen, die wir in dem Moment eher als schwierig,
grenzverletzend oder einfach als schlecht bewerten, weil wir nicht erkennen
bzw. verstehen, warum das dienlich sein sollte. Diese Gelegenheiten helfen und
dienen uns auf unserem Weg weiterzukommen – auch wenn wir dies meist erst im
Rückblick, nach einer gewissen Zeit in der Lage sind, zu erkennen.
In den
Gesprächen der letzten Tage fand sich immer wieder die Thematik, dass wir als
Mensch nur dann ganz leben, uns vollkommen, frei und kraftvoll fühlen, wenn wir
in unserem Leben dem folgen, was wir in uns fühlen, was wir denken und
dementsprechend auch handeln. Denn nur auf diesem Wege sind wir in der Lage
unser ureigenes Wesen zu entfalten, all das wertvolle Potential aus uns zu schöpfen,
welches seit wir uns für dieses Leben entschieden haben, in uns liegt und so
oft vermeiden, dies im Außen zu zeigen.
Wie oft
verstellen wir uns, wie oft verbiegen wir uns, wie oft ändern wir unsere
Meinung - um nicht Anstoß zu nehmen, um einem Anderen einen Gefallen zu tun, um
dem Bild der Gesellschaft zu entsprechen (was auch immer das heißen mag). All
dies führt dazu, dass wir uns zu angepassten Wesen entwickeln, die zwar mit dem
Gefühl im Strom des Lebens schwimmen, nicht allein zu sein und viele „Mitstreiter“
zu haben, gleichzeitig erfüllt von einer undefinierten Angst und Unsicherheit,
mich nicht getragen zu fühlen und irgendwie abhängig. Dabei taucht vor meinem
Auge das Bild der Lemminge auf, die in der Masse auf den Abgrund zulaufen,
fühlen, dass etwas nicht gut ist – aber weil alle laufen, geht Jeder mit und
der Abgrund wird zum Schicksal, da die Nachfolgenden drücken, und gleichzeitig gedrückt
werden. Wenige kommen auf den Gedanken, aus der Menge auszuscheren und den
eigenen Weg zu gehen.
Leben… findet statt, wenn wir erkennen, dass wir Alles
Not-wendige für unser Leben in uns tragen. Wir brauchen niemanden, der uns
sagt, was wir fühlen, was wir tun sollen oder wie wir sein sollen. All dies
Wissen liegt als Geschenk, als großer Schatz in unserem Inneren verborgen.
Unser Wesen, unsere innere Stimme wartet nur darauf, dass wir ihm
Aufmerksamkeit schenken, sie wahrnehmen und spüren, dass über diese Wahrnehmung
unser Weg geführt wird.
Ob nun
rechts oder links aus der Massenbewegung auszuscheren, ist völlig gleichgültig.
Die Wichtigkeit liegt darin, für uns selbst authentisch zu sein und zu fühlen,
dass es sich für mich nur dann richtig anfühlt – wenn ich dies auch in mir
spüre. Nur dann befinde ich mich auf meinem Weg, der von Anderen nicht verstanden
werden muss. Sich diese Aufgabe im täglichen Leben zu stellen und bei vielen
Gelegenheiten innerlich inne zu halten und zu fragen: Stimmt das, was gerade
geschieht für mich? Fühlt es sich gut und richtig an? Diese Antwort wahrzunehmen
und danach zu entscheiden benötigt anfangs oft Kraft und Mut in das eigene
Vertrauen. Mehr und mehr kristallisiert sich auf diesem Weg allerdings die
schillernde Vielfalt unserer eigenen Persönlichkeit. Die Freude dafür zu
empfinden, was da in uns verborgen liegt und nur darauf wartet, wahrgenommen
und ans Licht befördert zu werden ist eines der größten Geschenke, die uns das
Leben zu bieten hat.
Ich
wünsche Euch von Herzen, diesen Weg zu fühlen, zu finden und zu gehen… mit
Leichtigkeit, mit Freude und mit Liebe in Euren Herzen!
Kommentar von Ulrike Shanti:
AntwortenLöschenAuthentisch leben, das klingt gut. Sich selbst leben, wer möchte das nicht?
Aber wer möchte dies noch, wenn er dadurch zum Außenseiter wird, wenn er zum Sonderling abgestempelt wird? Wer möchte dies noch, wenn ihm bewusst wird, dass er selber die Verantwortung für sein Leben übernehmen muss, dass er es ist, der immer entscheidet, auch wenn die Entscheidung darin liegt, dass man sie anderen überlässt. Wer möchte dies noch, wenn all die Ausreden wegfallen: „Alle anderen machen es doch auch so!“ oder „ Das erwartet man von mir!“ oder „Dies wurde mir so vorgegeben!“
Klar, theoretisch kann ich mich anders entscheiden, kann die Sicherheit gegen Unsicherheit eintauschen. Aber ist das Motto: „Lieber der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.“ nicht besser, als die Werte, die ich bisher gelebt habe über Bord zu werfen und in eine ungewisse Zukunft zu gehen.
Wie gehe ich damit um, wenn ich mich gegen Menschen entscheiden muss, die ich liebe, wenn ich spüre, dass mir das Leben so nicht gut tut.
Wenn man Vorbilder und Idole vom ihrem Sockel holen muss und sie plötzlich nur noch als Menschen dastehen und man ihre eigene Unsicherheit spürt und nicht mehr das Gefühl hat, die wissen genau was zu tun ist und wo es hin geht.
Und über allem steht immer die Frage, welche all der Stimmen in mir ist denn wirklich meine eigene?
Wie kann es für mich gut sein, wenn ich sehr schmerzhafte Entscheidungen treffen muss, ohne die Sicherheit, dass es mir wirklich danach besser geht. Um am Ende vielleicht noch zugeben zu müssen, ich habe mich damals falsch entschieden. Ob dann die Tatsache, dass ich meiner eigenen Stimme gefolgt bin, mich tröstet und ich trotzdem ihr weiterhin vertrauen kann?
Es klingt so wundervoll – authentisch leben – im eigenen Leben ist es eine ständige Herausforderung, die sehr viel Mut erfordert.