„Die einzige Führung, die uns über
längere Zeit unseres Lebens dient und gut tut ist die, der Stimme und Führung
unseres Herzens zu folgen.“
Den Impuls über „Führung“
nachzudenken schenkte mir das Leben am Donnerstagabend anlässlich einer
Vortragsveranstaltung des Erziehungsberaters Dr. Jan-Uwe Rogge in der Aula des
Gymnasiums. In der Einführung wurde der Begriff „Führung“ hervorgehoben und wie
wichtig es doch sei, wieder mehr Führung zu übernehmen, sprich zu führen…
Nach einer kurzen
Überleitung stellt Herr Rogge in den Vordergrund, dass alles was es in der Erziehung
von Kindern braucht, Humor und Lachen sei.
Der Begriff „Führung“ bzw.
„führen“ tauchte während des nun folgenden Vortrags nicht mehr auf.
Bleibt die Frage, ob
Kinder millionenfach deswegen rebellieren, weil sie einer Führung unterliegen
die sie nicht brauchen, die nicht ihre eigene ist. Millionen Eltern denken,
ihre Kinder könnten nur erzogen werden und lebenstauglich geraten, wenn sie
sich ihrer Führung unterwerfen und den Weg nehmen, den sie – die Eltern – sich
für diese Kinder ausdenken…
Das Thema beschäftigt und
bewegt mich seitdem.
Heute Morgen dann, beim
Spazierengehen mit dem Hund, der bis dahin entspannt neben mir an der Leine
lief, fiel mir wieder der Begriff „Führung“ in meine Gedanken. Genau in diesem
Moment bog der Hund nach links ab, zog an der Leine in Richtung eines Busches,
der ihn wohl wegen eines anziehenden Geruches, den nur er wahrnahm unglaublich
zu interessieren schien.
Ich war gezwungen
stehenzubleiben und entschied, ihn erstmal schnüffeln zu lassen. Meine Gedanken
zogen weitere Kreise.
Als ob der Hund diesen
Begriff gehört hatte. Als ob er mir genau in diesem Moment sagen wollte: Ich
habe meine eigene Führung!
Gut, ein Hund muss
gehorchen und braucht in vielen Situationen die Leine. Allerdings hat sie doch
auch ihr eigenes Recht, auf dem „Hundespaziergang“ ihren Bedürfnissen nachzukommen.
Und in diesem Moment wurde
mir deutlich: Es gibt Situationen in denen ich denke, noch schnell die Runde
mit dem Hund… und was geschieht, ich ziehe einen störrischen und trödelnden
Hund hinter mir her…
An anderen Tagen, an
welchen ich mich auf die Runde mit dem Hund freue, entspannt bin und wir uns
gemeinsam auf den Weg machen, ich ihr den eigenen Raum zugestehe und meinen
Freiraum des entspannten Spaziergangs für mich selbst genieße, an diesen Tagen
gibt es weder störrisches Verhalten noch übertriebene Trödelei. Als ob sie mich
damit auf mich selbst aufmerksam macht und mir mein Spiegelbild vorhält.
Meine Gedanken wanderten
zurück in Zeiten, als meine Kinder klein waren. Augenblicklich tauchten
unzählige Situationen auf, in welchen ich genau diese Verhaltensweise auf die
Kinder übertragen konnte. Stand ich unter Strom, wollte unbedingt irgendetwas
durchsetzen oder erreichen, dann blockierten sie. Und alles nur, weil ich
dachte, dass bestimmte Situationen so sein mussten… Was habe ich mir nur oftmals
für einen Stress gemacht!
Froh bin ich darüber, dass
ich es heute erkenne.
Zurück zur Führung.
Vielleicht sollten wir das
Wort austauschen in Anleitung. Ich
denke es ist sinnvoll, wenn wir im Laufe unseres Lebens in verschiedenen
Bereichen Anleitung bekommen, gewisse Tätigkeiten und Fähigkeiten zu erlangen.
Ob wir dann im weiteren Verlauf unseres Lebens bei genau den Anleitungen
bleiben oder irgendwann unsere eigenen Techniken entwickeln bleibt uns
überlassen und macht daraus unser individuelles Leben!
Ich erinnere mich, wie ich
noch im Erwachsenenalter größte Mühe hatte einen bestimmten Kuchenteig in die
Form zu befördern, ohne mehr Teig an den Händen zu haben anstatt in der Form,
obwohl ich ansonsten durchaus fähig bin zu kochen und zu backen. Bis zu dem
Tag, an welchem ich meiner Tante bei genau dieser Zubereitung zusah und lernte,
dass mit einer kleinen Veränderung der Teig problemlos in die Form fand. Diese
Anleitung hat mir geholfen nun mit Freude diesen Kuchen zu backen und dabei
jedes Mal in gedanklicher dankbarer Verbindung mit meiner Tante zu sein.
Führung lässt sich
ausdrücken in Begleitung, in Halt geben. Klar brauchen Kinder Begleitung.
Wir können sie als Eltern nicht allein lassen. Es gibt unzählige Situationen im
Leben, in welchen sie ohne unsere Begleitung hilflos wären. Sie brauchen
unseren Halt. Sie brauchen uns als Rückhalt. Sie brauchen uns, in dem Wissen,
dass sie sich auf uns verlassen können – bis in ihr eigenes Erwachsenenleben.
Und das ist gut so.
Führung steht für Grenzen. Kinder brauchen Grenzen. Ein
Kind (und auch viele Erwachsene) ist mit grenzenlosem Raum überfordert und kann
damit nicht umgehen. Gleichzeitig wird jedes Kind natürlicherweise rebellieren,
wenn die Grenzen zu eng gesteckt werden. Wir sind als Eltern gefordert uns
dieser Grenzen bewusst zu sein und sie mit dem Wachstum unserer Kinder zu
erweitern, damit sie in diesem Schutzraum gesund groß werden können.
Im Wesentlichen steht
Führung für Liebe. Was Kinder am
meisten brauchen ist Liebe. Zu spüren, angenommen zu sein, so wie sie sind. Zu
wissen egal, auch wenn ich mal daneben lebe, meine Eltern lieben mich und sind
für mich da! Ich glaube fest daran, wenn wir unsere Kinder aus tiefstem Herzen
lieben, sie in Dankbarkeit annehmen, wir ihnen damit das größte Fundament und
Geschenk für ihr eigenes Leben mitgeben, auf dem sie sich in ihrer Weise
entfalten können.
Und dasselbe gilt für uns Alle – auch im Erwachsenenalter!
Wir brauchen keine Führung, weder in der
Partnerschaft, noch im Beruf, noch sonst irgendwo. Was wir brauchen ist
Eigenverantwortung, Vertrauen in das Leben sowie die Annahme und Liebe für uns
selbst.
Ich komme zurück zu meinem
Hundespaziergang, der mir weitere innere Bilder schenkte.
Als der Hund nach links
zog machte er auf sich aufmerksam, mir deutlich zu zeigen, seinen eigenen Weg
gehen zu wollen. Durch das Ziehen an der Leine wurde ich dabei selbst aus
meinen Gedanken gerissen.
Führung kann also nur gelebt werden,
wenn sich die zu führenden Personen innerhalb ihrer durch die Führung gesetzten
Grenzen bewegen und diese möglichst nicht berühren.
Ich hoffe, das klingt
nicht zu abstrakt.
Hätte er nicht an der
Leine gezogen und mich aufgeweckt, wäre ich nicht auf das was dem folgte,
aufmerksam geworden.
Nehmen wir das Beispiel
Partnerschaft.
Ein dominanter Partner
steckt die Grenzen ab. Solange sich der oder die Partner/in mit diesem Rahmen
begnügt und keine Grenze berührt, bzw. den Versuch unternimmt eine Grenze zu
überschreiten ist Frieden. Aber wehe, er/sie unternimmt den Versuch und wagt einen
Schritt über die Grenze! Dann ist erstmal Ärger angesagt. Mit der Folge, dass
die Leine noch etwas kürzer gehalten wird. Meist fühlt sich der weniger
dominante Partner in Schuldgefühlen in dieser Abhängigkeit und hat Angst vor
den Konsequenzen, sollte er seinen eigenen inneren Bedürfnissen folgen. Also
wird er sich wieder fügen, zurückkehren in die gesetzten Grenzen und scheinbaren
Frieden einkehren lassen. Dieses Spiel setzt sich fort und wiederholt sich oft
unzählige Male.
Gleichzeitig wird der
dominante Partner in seiner Führungsrolle aufgeweckt. Denn bei genauer
Betrachtung ist er ebenso abhängig von dem Partner, den er an der Leine hält.
Und sein eigenes Wohlbefinden ist stark davon abhängig, dass der Partner so
funktioniert, wie er es gerne haben möchte. Er verschafft sich dadurch das
Gefühl von Sicherheit.
Besteht diese Thematik
über längere Zeit, kommt es erfahrungsgemäß zu
-
Trennung
-
Ausbruchsversuchen
und Ausbruch
-
Süchten
-
Affären
-
Krankheit
-
Annahme der
Erniedrigung mit der Folge das eigene Selbst aufzugeben
Partnerschaft kann nur
funktionieren und gesund sein/bleiben – für beide Teile – wenn wir uns
freilassen und vertrauen.
Dasselbe Thema gilt für
Führung und Führungsebenen in Firmen und Betrieben.
Führen Menschen in
Führungspositionen zu eng, werden sich die Mitarbeiter entweder kleinlaut fügen,
ihrem „Führer“ folgen, zu ihrem „Führer“ aufschauen und ihn vergöttern, bzw.
wird es Mitarbeiter geben, die gegen die zu engen Grenzen rebellieren und
ausbrechen. Menschen, die aufmerksam machen und deutlich, dass sie nicht bereit
sind, sich einer zu engen Führung zu unterwerfen.
Wir wissen heute, Menschen
in Führungspositionen haben dann den größten Erfolg,
-
wenn sie den
Raum öffnen,
-
wenn sie
Vertrauen in ihre Mitarbeiter und sich selbst haben,
-
wenn sie die
Bereitschaft in sich tragen mit den Mitarbeitern auf einer Ebene zu
kommunizieren,
-
wenn sie sich
ihres Wertes bewusst sind und den Wert der Mitarbeiter schätzen und anerkennen,
-
wenn sie
anleiten, wenn Anleitung not-wendig ist,
-
wenn sie
begleiten, wenn Begleitung von Nutzen ist,
-
wenn sie
Grenzen setzen, wenn Grenzen hilfreich sind,
-
wenn sie
lieben was sie tun und diese Liebe auch zeigen.
Dazu sind Menschen bereit,
die sich sowohl ihrer Stärken als auch Schwächen bewusst sind und die wissen,
dass dies auch für ihre Mitarbeiter gilt.
Wir leben
in einer Zeit, in welcher es für uns alle überlebensnotwendig ist und immer
mehr wird, Verbindung mit unserer eigenen Führung aufzunehmen und dieser zu
vertrauen.
In diesem
Sinne:
„Vertraue der Führung in Dir und
folge der Stimme Deines Herzens.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen