Montag, 2. Dezember 2013

Führung...








„Die einzige Führung, die uns über längere Zeit unseres Lebens dient und gut tut ist die, der Stimme und Führung unseres Herzens zu folgen.“

Den Impuls über „Führung“ nachzudenken schenkte mir das Leben am Donnerstagabend anlässlich einer Vortragsveranstaltung des Erziehungsberaters Dr. Jan-Uwe Rogge in der Aula des Gymnasiums. In der Einführung wurde der Begriff „Führung“ hervorgehoben und wie wichtig es doch sei, wieder mehr Führung zu übernehmen, sprich zu führen…
Nach einer kurzen Überleitung stellt Herr Rogge in den Vordergrund, dass alles was es in der Erziehung von Kindern braucht, Humor und Lachen sei.
Der Begriff „Führung“ bzw. „führen“ tauchte während des nun folgenden Vortrags nicht mehr auf.
Bleibt die Frage, ob Kinder millionenfach deswegen rebellieren, weil sie einer Führung unterliegen die sie nicht brauchen, die nicht ihre eigene ist. Millionen Eltern denken, ihre Kinder könnten nur erzogen werden und lebenstauglich geraten, wenn sie sich ihrer Führung unterwerfen und den Weg nehmen, den sie – die Eltern – sich für diese Kinder ausdenken…

Das Thema beschäftigt und bewegt mich seitdem.

Heute Morgen dann, beim Spazierengehen mit dem Hund, der bis dahin entspannt neben mir an der Leine lief, fiel mir wieder der Begriff „Führung“ in meine Gedanken. Genau in diesem Moment bog der Hund nach links ab, zog an der Leine in Richtung eines Busches, der ihn wohl wegen eines anziehenden Geruches, den nur er wahrnahm unglaublich zu interessieren schien.
Ich war gezwungen stehenzubleiben und entschied, ihn erstmal schnüffeln zu lassen. Meine Gedanken zogen weitere Kreise.

Als ob der Hund diesen Begriff gehört hatte. Als ob er mir genau in diesem Moment sagen wollte: Ich habe meine eigene Führung!

Gut, ein Hund muss gehorchen und braucht in vielen Situationen die Leine. Allerdings hat sie doch auch ihr eigenes Recht, auf dem „Hundespaziergang“ ihren Bedürfnissen nachzukommen.
Und in diesem Moment wurde mir deutlich: Es gibt Situationen in denen ich denke, noch schnell die Runde mit dem Hund… und was geschieht, ich ziehe einen störrischen und trödelnden Hund hinter mir her…
An anderen Tagen, an welchen ich mich auf die Runde mit dem Hund freue, entspannt bin und wir uns gemeinsam auf den Weg machen, ich ihr den eigenen Raum zugestehe und meinen Freiraum des entspannten Spaziergangs für mich selbst genieße, an diesen Tagen gibt es weder störrisches Verhalten noch übertriebene Trödelei. Als ob sie mich damit auf mich selbst aufmerksam macht und mir mein Spiegelbild vorhält.

Meine Gedanken wanderten zurück in Zeiten, als meine Kinder klein waren. Augenblicklich tauchten unzählige Situationen auf, in welchen ich genau diese Verhaltensweise auf die Kinder übertragen konnte. Stand ich unter Strom, wollte unbedingt irgendetwas durchsetzen oder erreichen, dann blockierten sie. Und alles nur, weil ich dachte, dass bestimmte Situationen so sein mussten… Was habe ich mir nur oftmals für einen Stress gemacht!
Froh bin ich darüber, dass ich es heute erkenne.

Zurück zur Führung.
Vielleicht sollten wir das Wort austauschen in Anleitung. Ich denke es ist sinnvoll, wenn wir im Laufe unseres Lebens in verschiedenen Bereichen Anleitung bekommen, gewisse Tätigkeiten und Fähigkeiten zu erlangen. Ob wir dann im weiteren Verlauf unseres Lebens bei genau den Anleitungen bleiben oder irgendwann unsere eigenen Techniken entwickeln bleibt uns überlassen und macht daraus unser individuelles Leben!
Ich erinnere mich, wie ich noch im Erwachsenenalter größte Mühe hatte einen bestimmten Kuchenteig in die Form zu befördern, ohne mehr Teig an den Händen zu haben anstatt in der Form, obwohl ich ansonsten durchaus fähig bin zu kochen und zu backen. Bis zu dem Tag, an welchem ich meiner Tante bei genau dieser Zubereitung zusah und lernte, dass mit einer kleinen Veränderung der Teig problemlos in die Form fand. Diese Anleitung hat mir geholfen nun mit Freude diesen Kuchen zu backen und dabei jedes Mal in gedanklicher dankbarer Verbindung mit meiner Tante zu sein.

Führung lässt sich ausdrücken in Begleitung, in Halt geben. Klar brauchen Kinder Begleitung. Wir können sie als Eltern nicht allein lassen. Es gibt unzählige Situationen im Leben, in welchen sie ohne unsere Begleitung hilflos wären. Sie brauchen unseren Halt. Sie brauchen uns als Rückhalt. Sie brauchen uns, in dem Wissen, dass sie sich auf uns verlassen können – bis in ihr eigenes Erwachsenenleben. Und das ist gut so.
Führung steht für Grenzen. Kinder brauchen Grenzen. Ein Kind (und auch viele Erwachsene) ist mit grenzenlosem Raum überfordert und kann damit nicht umgehen. Gleichzeitig wird jedes Kind natürlicherweise rebellieren, wenn die Grenzen zu eng gesteckt werden. Wir sind als Eltern gefordert uns dieser Grenzen bewusst zu sein und sie mit dem Wachstum unserer Kinder zu erweitern, damit sie in diesem Schutzraum gesund groß werden können.
Im Wesentlichen steht Führung für Liebe. Was Kinder am meisten brauchen ist Liebe. Zu spüren, angenommen zu sein, so wie sie sind. Zu wissen egal, auch wenn ich mal daneben lebe, meine Eltern lieben mich und sind für mich da! Ich glaube fest daran, wenn wir unsere Kinder aus tiefstem Herzen lieben, sie in Dankbarkeit annehmen, wir ihnen damit das größte Fundament und Geschenk für ihr eigenes Leben mitgeben, auf dem sie sich in ihrer Weise entfalten können.

Und dasselbe gilt für uns Alle – auch im Erwachsenenalter!

Wir brauchen keine Führung, weder in der Partnerschaft, noch im Beruf, noch sonst irgendwo. Was wir brauchen ist Eigenverantwortung, Vertrauen in das Leben sowie die Annahme und Liebe für uns selbst.

Ich komme zurück zu meinem Hundespaziergang, der mir weitere innere Bilder schenkte.
Als der Hund nach links zog machte er auf sich aufmerksam, mir deutlich zu zeigen, seinen eigenen Weg gehen zu wollen. Durch das Ziehen an der Leine wurde ich dabei selbst aus meinen Gedanken gerissen.

Führung kann also nur gelebt werden, wenn sich die zu führenden Personen innerhalb ihrer durch die Führung gesetzten Grenzen bewegen und diese möglichst nicht berühren.

Ich hoffe, das klingt nicht zu abstrakt.
Hätte er nicht an der Leine gezogen und mich aufgeweckt, wäre ich nicht auf das was dem folgte, aufmerksam geworden.

Nehmen wir das Beispiel Partnerschaft.
Ein dominanter Partner steckt die Grenzen ab. Solange sich der oder die Partner/in mit diesem Rahmen begnügt und keine Grenze berührt, bzw. den Versuch unternimmt eine Grenze zu überschreiten ist Frieden. Aber wehe, er/sie unternimmt den Versuch und wagt einen Schritt über die Grenze! Dann ist erstmal Ärger angesagt. Mit der Folge, dass die Leine noch etwas kürzer gehalten wird. Meist fühlt sich der weniger dominante Partner in Schuldgefühlen in dieser Abhängigkeit und hat Angst vor den Konsequenzen, sollte er seinen eigenen inneren Bedürfnissen folgen. Also wird er sich wieder fügen, zurückkehren in die gesetzten Grenzen und scheinbaren Frieden einkehren lassen. Dieses Spiel setzt sich fort und wiederholt sich oft unzählige Male.
Gleichzeitig wird der dominante Partner in seiner Führungsrolle aufgeweckt. Denn bei genauer Betrachtung ist er ebenso abhängig von dem Partner, den er an der Leine hält. Und sein eigenes Wohlbefinden ist stark davon abhängig, dass der Partner so funktioniert, wie er es gerne haben möchte. Er verschafft sich dadurch das Gefühl von Sicherheit.
Besteht diese Thematik über längere Zeit, kommt es erfahrungsgemäß zu

-         Trennung
-         Ausbruchsversuchen und Ausbruch
-         Süchten
-         Affären
-         Krankheit
-         Annahme der Erniedrigung mit der Folge das eigene Selbst aufzugeben

Partnerschaft kann nur funktionieren und gesund sein/bleiben – für beide Teile – wenn wir uns freilassen und vertrauen.

Dasselbe Thema gilt für Führung und Führungsebenen in Firmen und Betrieben.
Führen Menschen in Führungspositionen zu eng, werden sich die Mitarbeiter entweder kleinlaut fügen, ihrem „Führer“ folgen, zu ihrem „Führer“ aufschauen und ihn vergöttern, bzw. wird es Mitarbeiter geben, die gegen die zu engen Grenzen rebellieren und ausbrechen. Menschen, die aufmerksam machen und deutlich, dass sie nicht bereit sind, sich einer zu engen Führung zu unterwerfen.

Wir wissen heute, Menschen in Führungspositionen haben dann den größten Erfolg,

-         wenn sie den Raum öffnen,
-         wenn sie Vertrauen in ihre Mitarbeiter und sich selbst haben,
-         wenn sie die Bereitschaft in sich tragen mit den Mitarbeitern auf einer Ebene zu kommunizieren,
-         wenn sie sich ihres Wertes bewusst sind und den Wert der Mitarbeiter schätzen und anerkennen,
-         wenn sie anleiten, wenn Anleitung not-wendig ist,
-         wenn sie begleiten, wenn Begleitung von Nutzen ist,
-         wenn sie Grenzen setzen, wenn Grenzen hilfreich sind,
-         wenn sie lieben was sie tun und diese Liebe auch zeigen.


Dazu sind Menschen bereit, die sich sowohl ihrer Stärken als auch Schwächen bewusst sind und die wissen, dass dies auch für ihre Mitarbeiter gilt.



Wir leben in einer Zeit, in welcher es für uns alle überlebensnotwendig ist und immer mehr wird, Verbindung mit unserer eigenen Führung aufzunehmen und dieser zu vertrauen.

In diesem Sinne:

„Vertraue der Führung in Dir und folge der Stimme Deines Herzens.“