Montag, 16. Juli 2012

Anpassung



Anpassung

gehört zu unserem Leben. Ohne Anpassung wäre es in vielen Situationen unmöglich, in sozialen Kontakten und Konstellationen zu leben und darüber hinaus Erfahrungen zu sammeln, die für uns selbst wertvolle Lebenserkenntnisse beinhalten können.
Schon in unserer Kindheit, beginnt dieser Begriff Raum einzunehmen. Als Kind werden wir häufig aufgefordert: Mach dies, tu das, sei so… und nicht so… Das tut man nicht…. das geht so… Mit gestrecktem Hals blicken wir in die Gesichter der Erwachsenen und denken…, die müssen es ja wissen. Schließlich sind sie schon „alt“ und haben Erfahrung. Gleichzeitig bietet uns diese Anleitung eine Richtungsweisung für unser Überleben, unser Dasein, setzt uns zwar Grenzen, innerhalb derer wir jedoch eine gewisse Freiheit wahrnehmen.
Die Wahrnehmung die wir selbst in uns spüren, kann durchaus eine ganz andere sein. Zu diesem Zeitpunkt spielt sie selten eine Rolle. Der Zeitpunkt im Leben ist zu früh. Wir selbst sind mit unserer Wahrnehmung so nach „Außen“ gerichtet und suchen Orientierung und Anleitung, dass unsere eigene innere Wahrnehmung wenig Raum einnimmt. Die Gefühle dazu nehmen wir allerdings durchaus wahr. Sie äußern sich häufig in Form von Widerstand, Wut, Aggression und Unwohlsein. Denkt an ein Kind im Trotzalter, das einen Wunsch abgeschlagen bekommt… Erst viel später… bekommen diese Gefühle eine Chance, bewusst wahrgenommen  und vor allem ernst genommen zu werden. Allerdings nur dann, wenn sie der Mensch als diese erkennt und versteht.

Wie ich zu diesem Thema kam: Der letzte Impuls wurde tatsächlich durch das oben eingestellte Foto freigesetzt.
Wie sich die Natur doch anpasst. Das Foto entstand auf einer unserer Wanderwochen auf Teneriffa. Der Baum bildet einen Torbogen über den Wanderweg und passt sich an seinem Standort den häufigen und mächtigen Winden zu bestimmten Jahreszeiten an, die den Berg hinauf fegen und ihm so die Form gegeben, sie ihm regelrecht aufgezwungen haben. Er hat Stand gehalten, er passte sich in seiner Form an und nimmt die Umstände – an welchen er nichts zu ändern vermag – hin. Das ist sein Dasein.
Gleichzeitig erinnere ich mich an einen Ausflug mit einem Bergbauern in den Wäldern um Bad Tölz. Er führte uns auf dem Weg vorbei an einer Fichte, vielleicht 80 cm hoch. Durch seine Naturverbundenheit, lenkte der Bauer unsere Aufmerksamkeit auf den Baum, die vielen, vielen Jahresringe an Zweigen zu betrachten. Dieser kleine Baum hatte über 60 Jahre „Lebenszeit“ hinter sich. Die Umstände, wie Witterung, der Standort, der Boden führten dazu, dass dieser Baum, trotz der vielen Jahre, so wie er war vor uns stand. Stellen wir uns vor, wie groß und stattlich manch ein Nadelbaum im Wald steht, dessen Umstände optimal für ihn sind. Letztlich nicht halb so alt, dafür vielfach größer, erkennen wir, dass dieser Baum sich unter diesen Bedingungen entfalten kann. Letztlich hat die kleine Fichte überlebt, indem sie sich den Umständen hingegeben und angepasst hat. Sie hatte keine Wahl…
Noch ein letztes Beispiel aus der Natur zu diesem Thema: Vor ein paar Jahren bat ich eine Nachbarin um einen Ausläufer einer wundervoll duftenden Rose, welche sich vor deren Haus stark ausgebreitet hatte. Ich fand einen Ableger vor, der vielleicht 10 cm hoch war und Platz in meinem Blumenbeet fand. Ein Stück Beet mit Stauden bestückt und von der Sonne beschienen und verwöhnt. Über drei Jahre bildete dieses kleine Rosenpflänzchen jeweils eine Knospe,  blühte, verblühte, überwinterte – bis im nächsten Jahr die gleiche Prozedur einsetzte.
Da die Pflanzen in meinem Garten die Gabe besitzen, mit mir zu sprechen und ich mich gleichfalls in der glücklichen Lage befinde, diese Sprache zu verstehen, bzw. den Stimmen zu lauschen, vernahm ich eines Tages die Hilferufe des Rosenpflänzchens, es bitte an einen anderen Ort zu setzen. Gesagt, getan. Vor dem Haus war ein Platz frei geworden. Von einem großen Strauch, der für diese Stelle viel zu viel Raum einnahm, hatte ich mich getrennt. Frei wurde ein Fleckchen Erde, genau richtig für die kleine Rose. Im März vergangenen Jahres pflanzte ich sie dort ein. Kaum Fuß gefass,t entwickelte sie sich in einer Weise, dass ich das Gefühl hatte, ihr beim Wachsen zusehen zu können. Die Blüten, mit welchen ich im vergangenen Jahr beschenkt wurde, habe ich nicht gezählt. Ich weiß nur noch, dass es viele waren. Auch den diesjährigen kalten Winter überstand dieser Rosenstock unbeschadet. Und wiederum wurde ich in diesem Jahr von einer Fülle an Blüten beschenkt.
Die Rose hätte sich weiterhin im Beet angepasst – wobei sie sich dort niemals zu dem entwickelt hätte, was an ihrem neuen Standort geschehen durfte….

und nun knüpfe ich die Verbindung zu dem, was für uns Menschen das Thema „Anpassung“ bedeuten kann.
Anpassung ist stimmig in vielen Bereichen, in denen sie geschieht. Immer dann, wenn ich irgendwo etwas Neues beginne, kann es gut und hilfreich sein erstmal wahrzunehmen, zuzuschauen, aufzunehmen, zu lernen und mich einzufügen – mich anzupassen, an das was ist, um zu fühlen, wie es für mich passend bzw. stimmig ist. Sobald ich spüre, dass ich den Boden unter den Füßen gefunden habe und in den für mich wichtigen Bereichen Sicherheit finde, ist es not-wendig mein eigenes Wesen mit seinen Belangen einzubringen.
Vorgänge anzupassen an die Vorgehensweise, die für mich stimmig ist. Zu fühlen, was passt, fühlt sich gut an und wogegen hege ich Widerstände. Dabei wiederum zu fühlen, welche dieser zugrunde liegenden Themen kann ich verändern und welche sind so wie sie sind?

In vielen Bereichen des Lebens fühlen wir uns zu einer scheinbaren Anpassung aufgefordert, bzw. fühlen uns in dieser scheinbaren Anpassung gezwungen zu bleiben, auch wenn es sich für uns selbst nicht gut anfühlt. Dies hat mit den Erfahrungen aus unserem bisherigen Leben zu tun und damit wie wir im Laufe dieses Lebens unsere Strukturen schufen, bzw. diese von unseren Eltern übernommen haben.

An diesen Punkten gilt es genau hinzuschauen.
Niemand tut es gut, über lange Zeit in Umständen und Anpassungen zu leben, die nicht seinem eigenen inneren Wesen, seinem Lebenszweck entsprechen und dienen.
Niemand tut es gut, sich anzupassen, dem Anderen zunutze zu sein und dabei sein eigenes Sein, seine eigene Lebensenergie zu unterdrücken. Wie oft harren Menschen in Situationen aus (oft über Jahre, sogar Jahrzehnte), halten die Luft an, schaffen sich Freiräume um immer wieder mal aufzuatmen, um danach scheinbar gestärkt in die Enge der Anpassung erneut einzutauchen.
Dieser Prozeß zermürbt, macht uns krank und letztlich ist er imstande uns zu zerstören. Er ist es, der uns von eigener Energie abschneidet und verhindert, dass wir den Zugang zu unserem inneren Wesen behalten.
Je mehr wir in ein Leben eintauchen, das nicht unserem Wesen entspricht, desto mehr entfernen wir uns von ihm. Lange Jahre nimmt unser inneres Wesen dies hin. Immer wieder wird es versuchen, uns aufmerksam zu machen, uns Zeichen zu senden. Irgendwann jedoch ist es so schwach, dass Krankheit den Raum einnimmt.
Auch bei uns Menschen spricht man davon: „Einen alten Menschen nicht zu verpflanzen.“ Das ist sicherlich in vielen Fällen stimmig und richtig.

Aber wie viele Menschen verharren in Situationen, die ihnen nicht gut tun, passen sich an, nehmen in Kauf, ihr eigenes Leben nicht zu leben, sich einzuschränken und in gewisser Weise aufzugeben, aus Angst, in die Veränderung zu gehen. Letztlich immer wieder die Angst, von den Anderen nicht mehr geliebt zu werden.
Es wäre oft sinnvoll, dieser Mensch würde aufmerksam gemacht, darüber nachdenken, sich an einen neuen Ort zu verpflanzen. Den alten zu verlassen, an welchem er von seiner Energie abgeschnitten war und einen neuen finden, an welchem er sich mit seiner Energie zu verbinden imstande fühlt.
Diese Veränderung könnte Befreiung bedeuten, Entwicklung, Entfaltung und Lebendigkeit.
Das bedeutet nicht (immer), sich gegen die momentanen Lebensumstände zu entscheiden und diese für immer zu verlassen. Oft hilft es schon, der Mensch schafft eine Distanz und findet Klarheit für sich selbst. Wie auch immer diese dann aussieht.

In der Praxis bin ich wiederholt mit Situationen konfrontiert, die dieses Thema beinhalten.
Die Schlussfolgerung, die daraus zu ziehen ist, lautet: Ich als Mensch habe die Aufgabe in diesem Leben, aufmerksam für mich selbst zu sein, für meine innere Stimme, meine Gefühle, meine Gedanken und meine Handlungen.
Viele Situationen der Anpassung, in die ich mich gerne einfüge, spielen hierbei keine Rolle und sind nicht angesprochen.

Befinde ich mich in Situationen, in welchen ich wieder und wieder spüre und wahrnehme, dass es mir nicht gut geht, ich mich nicht wohl fühle, Widerstände auftauchen, Wut und Aggression eine Rolle spielen, bin ich angehalten, diese anzuschauen, zu überdenken und möglichst zu verändern.
Spätestens dann ist es wichtig und not-wendig, dass ich mich selbst frage, was und wie ich diese Umstände verändern kann. Mir die Frage zu stellen, ob ich selbst es bin, der etwas durch Verhaltensänderungen bewegen kann, ob die äußeren Umstände verändert werden müssen, ob es not-wendig ist, mich aus Beziehungen zu lösen, bzw. Gesprächsthemen in Konflikten zur Klärung aufzugreifen.
Unsere Gefühle, unser Unwohlsein macht uns aufmerksam, will uns aufrufen, gut für uns zu sorgen, will uns aufmerksam machen, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Wir dürfen dankbar sein über die Zeichen, die unsere Gefühle und unser Körper uns senden! Sie tauchen nicht auf, um uns zu ärgern oder zu quälen! Sie tauchen auf, um uns wach zu machen. Um uns aufzufordern, an der Stelle hinzuschauen und Bewegung in unser Leben zu bringen.


An dieser Stelle möchte ich Euch aufmerksam machen, genau hinzuspüren, zu fühlen, zu fragen: Was ist es, was ich für mich und mein Leben möchte? Angefangen in ganz kleinen Situationen des Lebens wie, was wünsche ich mir im Moment, damit es mir gut geht… und was kann ich jetzt im Moment dafür tun, damit sich dies verwirklichen läßt.
Gut für sich zu sorgen und nicht zu  meinen, weil der Partner „Wurst und Brot“ bevorzugt, dies auch essen zu müssen, wenn mein Frühstück eher aus Obst und Müsli besteht. Das mag für manch einen lächerlich klingen… Gleichzeitig hat es mit dem zu tun, was landauf, landab gelebt wird.

Anpassung geschieht oft aus Bequemlichkeit. Bequemlichkeit, die nach einer Zeit einen hohen Preis fordern kann, von dem Menschen, der sich dieser Anpassung unterwirft. Den Preis, auf die Verbindung der Lebensverwirklichung, die dem eigenen Wesen entsprechen würde zu verzichten.


Ich wünsche Euch von Herzen, dass es Euch gelingt, wieder und wieder, Tag für Tag in Kontakt mit Euch selbst, mit Eurem inneren Wesen, mit Euren Gefühlen für Euch selbst zu gehen und gut zu Euch zu sein. Sorgt gut für Euch und versucht Euch in dem zu leben, was Ihr seid und was Ihr in Euch selbst wahrnehmt. Denn in diesem Kontakt findet sich das, was letztlich unseren Lebenszweck deutlich macht.

Es geht darum im Leben zufrieden zu sein.

Es geht darum, ein Leben in Freude zu leben.

Es geht darum, im Leben die Dinge zu tun, die ich gern mache, denn darin liegt meine Kraft.

Es geht darum, in der Zufriedenheit Glücksmomente als Geschenk zu erkennen und sie im Herzen zu bewahren.

Es geht darum, das Wesentliche für sich selbst im Leben zu erkennen und dies zu leben.

Es geht darum, dies für mich entscheiden zu dürfen, um Zufriedenheit finden zu können.

Es geht darum, zu begreifen, dass die größte Kraft in der Liebe unseres Herzens liegt.

Es geht darum, zu verstehen, dass diese Kraft niemals ins Fließen kommt, wenn ich mich in einer Anpassung befinde, die diesen Fluss unterbindet.

Es geht darum, das Geschenk dieses Lebens wahrzunehmen – Tag für Tag.


Wer auch immer meine Texte liest – Ich bin in tiefer Dankbarkeit den Erfahrungen meines Lebens gegenüber, die es mir ermöglichten zu diesen Gedanken und Erkenntnissen zu gelangen und mit all den Tiefen, die zu überwinden waren zu fühlen, wie wertvoll jeder einzelne dieser Mosaiksteinchen war und ist.

Om namah shivaya